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Wo Sie doch nun schon einmal auf dieser Seite gelandet sind, vielleicht interessiert Sie auch eine wahre Begebenheit samt Nachspiel aus dem Jahr 1967 namens 

Unterwasserzelt Diogenes oder „Der Leidensweg eines Unterwasser-Campers“     |  nach unten
 

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Tauchsportzeitschrift Delphin (Hamburg): Jahrgang 1954 bis 1957 (Heft 1-5)

Seesport (Neuenhagen bei Berlin), maritime Zeitschrift der GST: Jahrgang 1952 - 1961

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Wenn irgend etwas schief geht, so gibt es zwei Reaktionsformen - man ärgert sich fürchterlich und rennt mit dem Kopf gegen die Wand oder man nimmt es leicht und versucht zu lachen. Da die erste Version sowieso nichts an den bestehenden Tatsachen ändert und nur Beulen verursacht, entschied ich mich für den anderen Weg. Aus den Vorversuchen für eine kleine Universaldruckkammer wurde so das

Unterwasserzelt Diogenes oder „Der Leidensweg eines Unterwasser-Campers“

„’Leben unter Wasser’“, hieß es 1968 in der Tauchzeitschrift Delphin, „ist modern geworden. In diesen Tagen wurde das erste deutsche Unterwasserhaus-Experiment abgeschlossen. Das amerikanische ‚Sealab-III’-Unternehmen’ beginnt Mitte Oktober. Italo Ferraro lebte im Juli 1968 48 Stunden in einem zeltähnlichen, einfachen UW-Habitat. Wie lange wird es dauern, bis Zelte auf dem Meeresgrund zum ‚Taucheralltag’ werden? Pioniere unter den Sporttauchern können sich auf diesem Gebiet noch Sporen verdienen. Über seine Erlebnisse mit einem improvisierten UW-Zelt schrieb unser Mitarbeiter Norbert Gierschner den folgenden launigen Bericht“:

Wer kennt nicht die Geschichte des griechischen Philosophen Diogenes von Sinope, der einige Jahre in einem Fasse lebte und nur einen Mantel, einen Brotsack, einen Stecken und einen Becher besessen haben soll. Wie die Legende erzählt, warf er auch in diesen Becher weg, als er einen Knaben aus der hohlen Hand trinken sah. Denn er lebte nach dem Grundsatz, "dass es göttlich sei, nichts zu benötigen" (da hätte ein Tauchzubehör-Hersteller aber nichts zu lachen).

Die Mitarbeiter des amerikanischen Forschers Edwin Link, Lindbergh und Sténuit, beteiligten sich 1965 an einen neuen Test über das Problem des Aufenthaltes in größerer Tiefe. In der Nähe der Bahamas, in 131 Metern Tiefen, lebten sie drei Tage und benutzten dabei eine zeltähnliche Behausung.

Die Moral des Diogenes und die Idee des Unterwasserzeltes galten nun als Grundlage der "Aktion Diogenes" (wobei hinter dem letzteren ein Problem stand, dass man auch mit der typischen reibenden Bewegung von Daumen Zeigefinger ausdrücken kann). Das Zelt sollte so klein und so einfach wie möglich sein und brauchte nur einen mehrstündigen Aufenthalt unter Wasser zu gestatten. Etwa um bequem zu sitzen, seinen Kaffee zu schlürfen, dem trauten Spiel der Kohlendioxid-Indikatoren - zwei allerliebste weiße Mäuse - zuzusehen und um aus dem Fenster zu gucken. Natürlich sollten auch noch nebenbei einige Messungen durchgeführt werden: Temperaturschwankungen, Luftfeuchtigkeit, Veränderungen der Atemluftanteile, Ein- und Ausstiegsversuche usw.

Nach einem "Wohnzimmer-Trocken-Test" erwies sich eine Plattform aus Balken und Brettern mit den Abmessungen von 0,65 mal 1,4 Meter als geeignet. Der Einstieg hatte eine lichte Öffnung von 0,5 mal 0,6 Metern. Eine als Sessel zusammengeschobene Luftmatratze sollte ein weiches Sitzgefühl garantieren. Ein kleines Regal und Griffe zum Einsteigen wurden gleich mit angenagelt. Die Zelttür konnte mit 1,1 Metern veranschlagt werden. Als Material diente gummiertes Gewebe, doppelt vernäht und geklebt. Die Fensterscheibe bestand aus einer 10 mm dickem Piacrylplatte. Ein Fensterbrett, um das obligatorische Beobachtungskissen darauf legen zu können, brauchte nicht mit vorgesehen zu werden, da sich der Flügel nicht öffnen ließ. Zwei wohlgefüllte Druckluftflaschen und die CO2-Absorptionsvorrichtung wäre als weiteres vorgesehenes Mobiliar zu nennen. Den Berechnungen nach betrug der Auftrieb knapp eine Tonne, den 1,5 bis 2 Kubikmeter Sand in Säcken kompensieren sollten. Zum Lüftung sollte das Feld nach einem errechneten Verfahren in Abständen von zehn Minuten mit einer bestimmten Menge Druckluft durchgespült werden. So weit einiges zu den Vorarbeiten und Überlegungen.

Dann endlich ging es los. Sand schippen, mit dem Zeltspaten. 17 Schippen voll Sand füllen einen Eimer, sieben Eimer einen Sack. Der wurde verschnürt, und die zwei Luftmatratzen, auf denen er ruhte, ins tiefere Wasser gezogen Schwimmend balancierte und bugsierte ich ihn zu der gekennzeichneten Stelle. Dann plumpste es, und die Luftmatratzen machten einen Freudensprung. Der Sack verschwand im schlammigen Grund. Nur das Seil ragte heraus und stand, von einem Schwimmer getragen, aufrecht im Wasser, wie bei dem berühmten indischen Seiltrick. Nach dem achten Durchgang - der Wasserspiegel des Sees stieg immer noch nicht - wurden einige Urlauber auf mich aufmerksam. Sie begannen Fragen zu stellen Ich murmelte etwas, das wie „Gold suchen“ klang.

Dann wasserte ich das Zelt. Laut Tauchertagebuch dauerte es dann eine Stunde und 25 Minuten, bis ich schnorchelnd, wie bei allen Tauchgängen in diesem Urlaub, das noch mit Wasser gefüllte Zelt dezimeterweise in die Tiefe gezogen hatte, bis etwa einen Meter über den Grund. Die Lotleine zeigte an dieser Stelle 5 Meter. Dann richtete ich das Gehäuse in dem Leinendschungel aus, nicht ohne zuvor die Schärfe des Tauchermessers noch einmal geprüft zu haben. Nachdem alles schön stand, brauchte ich nur noch zwölfmal zu tauchen, um die Slipsteks in solide Knoten zu verwandeln.

Am nächsten Tag befestigte ich im Zelt einen langen Schlauch und verband ihn mit der großen Motorrad-Luftpumpe. Dann setzte ich mich auf eine Luftmatratze, ließ die Flossen ins Wasser baumeln und begann zu pumpen. Dabei überschlug ich schnell noch einige Zahlen: 850 Liter machen in 4 Meter Tiefe 850 mal 1,4, also rund 1200 Liter. Das wären bei einer angenommenen Leistung von einem halben Liter je Hub 1200 mal 2, also . . . Abends im Zelt fiel mir ein, dass es ein Mittel gab, um einzuschlafen, das bekannte „Schafe zählen, die durch ein Tor kommen". Ich hatte nun eine neue Zählmethode, nämlich Pumpenhübe, um ein Zelt zu füllen. Sicherlich wird sich an dieser Stelle der profane Taucher fragen, warum ich nicht einfach eine volle Druckluftpulle in das Zeltinnere abgeräuchert habe. Ganz einfach - ich hatte nur zwei, und die wollte ich für die Spülluft gebrauchen.

Dann gab es noch ein anderes Ereignis. Ich ging zuvor noch einmal ins Wasser und spannte weitere Seile aus, die über das Zelt liefen, so dass es wie ein riesiger Rollschinken aussah. Alles war in Ordnung, alles schien stabil. Das Fenster war schon frei von Wasser, die Wände sehr hart Dann machte ich Pause. Zwei Stunden später suchte mich ein aufgeregter Badegast auf und rief: „Dein U-Boot treibt auf dem Wasser!" Zum Glück holte ich es ein. Die Seile hatten sich in die Ecken der Befestigungswinkel gedrückt und waren wie mit einem Messer abgeschnitten.

Am nächsten Tag veränderte ich deshalb den Aufbau und schaltete zwei starke Schlüsselringe zwischen Winkel und Seil. Etwas anderes ließ sich im Moment nicht auftreiben. Diesmal ging der Aufbau flotter voran. Die nötigen Handgriffe waren schließlich schon trainiert. Nach einem weiteren Tag bekam ich es zu vier Fünfteln leergepumpt und betrat zum ersten Mal mein „Unterwasserhaus“.

Ich ließ den Schnorchel auf der Luftmatratze, die mir ständig als schwimmender Stützpunkt diente. tauchte hinab, schlängelte mich durch die Seile und tauchte in die Einstiegsöffnung. Dann durchbrach ich - unter Wasser - die Wasseroberfläche im Zelt. Der erste Eindruck war akustischer Natur. Ein eigenartiges Rauschen klang in meinen Ohren. Der Blick aus dem Fenster enttäuschte: Nur eine grüne Wand, wie ein Aquarium ohne Begrenzung und Leben. Doch dann stupste ein kleiner Barsch sein Maul gegen die Scheibe, was mich rasch tröstete. Das einfallende Licht hüllte den Raum in ein diffuses Halbdunkel, aber direkt vor der Scheibe hätte man noch lesen können. Vielleicht sollte dazu noch bemerkt werden, dass die Sicht in diesem Gewässer, einem mecklenburgischen See, knapp 4 bis 5 Meter betrug. Ich registrierte noch, dass die Gummiwandung innen fast trocken war. Dann schob ich die Maske wieder ins Gesicht und ließ mich zurück ins Wasser gleiten.

Am Tag darauf stellte ich fest, dass sich der Ballast zu heben begann. Ich hatte nämlich weniger Sand als vorgesehen in die Säcke bekommen, mich aber auf die Ansaugkraft des Schlamms verlassen. Außerdem schien die Plattform ungleichmäßig belastet. Sie hatte sich verzogen, und das Zelt stand schräger als zuvor. Neue Sacke müsste man einsetzen, vielleicht auch noch einmal die Luft herauslassen, um die Seile nachzuziehen. Pressluft müsste heran, um das Zelt auszublasen statt zu pumpen. Auch die Zeit drängte, denn der Urlaub war bald vorüber; ich brauchte dringend Hilfe Am See waren zufällig Mitglieder der Tauchgruppe einer hydrologischen Forschungsgemeinschaft. Sie hatten wenig Zeit, versprachen aber, am nächsten Tag zu helfen. Der Tag verging, der nächste auch - das Unterwasserzelt hielt tapfer aus. Noch schätzungsweise 300 Liter Luft waren zu pumpen, was etwa weitere 200 kp Auftrieb ausmachen würde. Und keiner kam. Dann eben nicht, dachte ich.

Ein Taucher - ein Wort, den Anzug wieder an und die Luftpumpe geholt. So saß ich erneut auf der Luftmatratze und pumpte und pumpte . . Auch für diese Tätigkeit hatte ich mir eine Erklärung ausgedacht, um mir neugierigen Fragern gegenüber eine umständliche Geschichte zu ersparen: „Die Fische brauchen ja schließlich auch frische Luft.“ So harrte ich denn der Dinge, die da kommen mussten. Und sie kamen, allerdings schneller als mir lieb war. Blasen stiegen aus dem Wasser auf, also musste das Zelt völlig mit Luft gefüllt sein, denn diese konnte nur über der Unterkante des Zeltes entweichen. Ich legte die Luftpumpe weg und rutschte ins Wasser. Da stand das Zelt, prall wie ein heißes Würstchen und beängstigend schief.

Damit beginnt auch schon das Ende. Einige Minuten später ruckte es, das Zelt schlug um und stieg wie ein freigelassener Ballon empor, voran eine riesige Luftblase, die an der Oberfläche mit einem mächtigen „Blubb“ zerplatzte. Vorbei war der Traum vom eigenen Unterwasserhaus. Die Befestigungsringe waren gebrochen, ebenso eine Ecke der Plattform, und das Zelt war an derselben Steile aufgerissen. Die Ursache kann nur vermutet werden. An dem am stärksten belasteten Seil mussten die Ringe zuerst gebrochen sein, danach die des nächsten Seiles usw., wie eine Art Kettenreaktion. Dabei zersplitterte auch noch durch einseitige Belastung die Ecke und zerriss das Gewebe.

Nun braucht jede Geschichte zum Schluss ja auch eine Moral; oder wie Balzac sagen würde: „aus dieser Geschichte kann man lernen“, dass man, um Erfahrungen zu sammeln, nicht nur Praxis braucht, sondern auch Luft und Kameraden. Wenigstens in diesem Fall! Übrigens, als ich am nächsten Tag ins Wasser ging (nein, nein - nur um zu fotografieren!), traf ich die Taucher der Forschungsgruppe. Ich grüßte freundlich - was blieb mir schließlich anderes übrig?

 


P.S.: Es ist heute kaum noch vorstellbar, aber ich hatte als DDR-Mensch natürlich diesen doch wohl harmlosen Artikel auch der DDR-Tauchsportzeitschrift Poseidon angeboten. Die wollte ihn nicht. Also publizierte ich ihn im Delphin. Nach dem Erscheinen zitierte man mich nach Neuenhagen bei Berlin ins Machtzentrum der Gesellschaft für Sport und Technik, dem Sitz der leitenden Funktionäre für uns gewöhnliche Sporttaucher. Und ich musste mich rechtfertigen, weil ich diesen Artikel dem „Klassenfeind“ angeboten habe, der daraus Propaganda, also Waffen gegen die DDR schmieden würde. Verschärfend: im gleichen Heft hatte der Delphin Werbung für die Bundeswehr geschaltet! Zum anderen - als Freischaffender konnte man mich schlecht entlassen oder versetzen - aber man strich mir für Jahre die Möglichkeit, im Poseidon veröffentlichen zu dürfen. Glücklicherweise hatte ich inzwischen eine neue Publikationsheimat beim „technikus“ gefunden, einer populärwissenschaftlichen Jugendzeitschrift (aus der ich übrigens nach einigen Jahren intensiver Schreiberei auch wieder aus mir unbekannt gebliebenen Gründen verbannt wurde). Aber da hatte ich mich dann schon wieder den Sachbüchern zugewandt! Aber eine Sache wurmt mich noch heute, nämlich, dass ich die Frage an die Funktionäre nicht stellte: Wenn wir dem Klassenfeind beispielsweise jede Menge Werkzeugmaschinen verkaufen dürfen, mit denen die "Bonner Revanchisten" (in der DDR übliche Sprachregelung) doch Waffen gegen die DDR produzieren konnten, warum darf aber ich nicht einmal mit einen kleinen Wald-und-Wiesen-Artikel auf den westlichen Markt erscheinen?


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